Wie war Indien?

„Wie war Indien?“, habe ich lange Zeit die gefragt, die schon dort waren.
„Du liebst es, oder du hasst es. Entweder oder. Es gibt kein dazwischen“, haben viele gesagt.
Und dann war meine Neugier endlich größer als mein Respekt und ich habe es mir selbst angeschaut.

Kurz und nicht ganz schmerzlos.
Etwas mehr als drei Wochen war ich unterwegs, in vier total unterschiedlichen Gegenden Indiens:
In Mumbai, voller Slumdogs und Millionaires:


Im Hindu-Heiligtum Varanasi am Ganges:


Ein bisschen in Rajasthan mit seinen nicht nur ein bisschen beeindruckenden Palästen:

Und in Kerala, der grünen Ruhe-Oase im Süden:


„Wie war Indien?“, werde ich jetzt von denen gefragt, die noch nicht dort waren.
Es ist so: Ich habe ähnlich viel Recht, das zu beurteilen, wie ein Chinese, der sich in drei Wochen Südfrankreich, Rom, Polen und Stockholm anschaut und danach über Europa referiert.
Aber trotzdem will ich meine ganz persönlichen Eindrücke hier festhalten.

So viel zu Beginn:
Ich habe es geliebt und gehasst. Entweder oder.
Und zwar oft im Sekundenwechsel.
Indien ist anstrengend.
Es nimmt dich mit aller Gewalt in Beschlag und lässt dich einfach nie, nie, nie in Ruhe.
(es sei denn man ist in der Ruhe-Oase Kerala :))

Wie da, als ich nur kurz eine Flasche Wasser kaufen wollte und fünf Stunden später erschöpft und glücklich über die Parkplatzmauer in mein Hostel zurückkletterte, verfolgt von einer immer größer werdenden Kinderhorde, die alle fotografiert werden wollten – bis meine drei Akkus und ich am Ende waren.

Wie da, als mich zum zweiten Mal ein Taxifahrer mitten in der Nacht in einem weniger guten Bezirk aus dem Auto werfen wollte und mich anlog, mein Hotel wäre gleich ums Eck… nur, weil er keine Lust hatte, den richtigen Weg zu suchen.

Wie da, als ich nach sieben Stunden Rikscha-, Zug- und Busfahrt als Riesensandwich, eingeklemmt zwischen meinen zwei Rucksäcken, in Pushkar ankam, und mir zwei kichernde Kids die Schnürsenkel aufbanden.
(Ok, außerhalb des Sandwichs hätte ich das auch ganz schön lustig gefunden).

Wie da, als zwei andere Kids mit meiner Sonnenbrille spielten, und der Bügel abfiel.
Ich konnte noch so oft sagen „Don`t worry, it was only 4 Dollars“… die beiden haben ihre Freunde zusammentrommelt und so lange (LANGE!) nach der fehlenden Mini-Schraube gesucht, bis sie sie gefunden haben, um mich danach so lange (LANGE!) von Geschäft zu Geschäft zu schleppen, bis wir endlich einen Menschen mit Mini-Schraubenzieher fanden, der kopfschüttelnd meinte: „Die kann man nicht mehr reparieren.“

Meine Sonnenbrillen-Freunde mit Belohnungs-Eis 🙂

Und dazu dieser ununterbrochene Sinnesrausch…
… an Lärmen (in Indien hat Lärm eine Mehrzahl verdient),
… an Gerüchen nach schmelzendem Plastik im brennenden Müll, den schlimmsten Klosteinen der Welt und den tollsten Gewürzen der Welt…
… und diese Bilder! Die bombastischen Forts, der süße Welpe, der am Kopf der toten Taube nagt, die knallbunten Stoffe, diese eine Kakerlake, so groß wie meine Hand.

Gerade wenn meine Kinnlade am hochklappen war, schon war sie wieder unten.

Man muss sich auf Indien einlassen, sonst dreht man hier durch.
Denn was ich absurd oder unerträglich finde, ist für jeden sechsten Menschen dieser Welt der ganz normale Alltag.
Und so habe ich versucht, so oft wie möglich „Warum nicht!“ zu sagen.

Die Straße ist gesperrt, deshalb fahren mit dem Auto den Bahnwall hoch und über die Zugschienen? „Warum nicht!“

Kühe sind euch so heilig, dass ihr sogar Teigbällchen zusammen mit Kuhdung backt?
„Warum nicht!“

Ihr braucht 30 Minuten, um einen Käsetoast zuzubereiten?
Und dann fällt euch ein, dass ihr gar keinen Käse habt und bietet mir stattdessen einen Pfannkuchen an?
„Warum nicht!“

Händchenhalten ist bei euch indischen Männern so cool, dass ihr selbst auf sehr coolen Fotos so posiert?
„Warum nicht!“

Bei euch gibt es kein Nicken oder Kopfschütteln?
Ihr wackelt mit dem Kopf, wenn ihr „Ja“ sagen wollt, und manchmal auch wenn ihr „Nein“ sagen wollt?
„Warum nicht? (wackel, wackel) Oder doch? (wackel, wackel)

Ihr braucht in der Poststelle zweieinhalb Stunden, nur um ein einziges Paket zu verpacken?
„Waru…“ Nein.
DAS war der Moment, in dem mein Geduldsfaden gerissen ist.
Aber dazu hier mehr.

Also: Jetzt nochmal: Wie war Indien?
In einem Wort:
Viel.

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