JORDANIEN – Steinernes & Meer

In Jordanien ist noch Winter (Winter = 25 Grad und Sonnenschein).
Bei den jordanischen Grenzbe
amten sind trotzdem schon die Frühlingsgefühle ausgebrochen.
„Why you travel alone?“ begrüßt mich der erste. „Travel with me!“
„You have boyfriend?“ fragt der nächste. „I can be your boyfriend… only for one day, come on!“.
Hinter dem nächsten Fenster wird in aller Seelenruhe ein Steckerleis geschleckt.
„Why don`t you buy Icecream in shop over there? Buy Icecream, very good!“ 
Nach eineinhalb Stunden ist endlich alles abgestempelt und abgewimmelt und ich muss mich nur noch vom Taxifahrer angraben lassen, der mich nach Aqaba bringt.
„You want to make picknick on the beach today?“
Mei, blöd. LEIDER hab ich schon was vor. 

Ich werde hier, im Roten Meer, nämlich zum ersten Mal tauchen.
Also… zum ersten Mal im Meer.
Nicht im ehemaligen Sauerkraut-Fabrik-Tank wie in Erding, oder in den knalligen Beigetönen des Starnberger See.
Ich meine, ganz gut vorbereitet zu sein.
Weil ich die Tauch-Ohrentropfen auf Ölbasis, die mir mein Tauch-Inspirator Robert empfohlen hat, in Deutschland nicht mehr bekommen habe, schmiere ich mir beim Frühstück in einem unbeobachteten Moment Olivenöl ins Ohr.
Wird ja ungefähr aufs Gleiche rauskommen.
Und: Ich habe eine brandneue Taucherbrille mitgebracht!
Tauchguide Hani ist davon noch nicht so recht überzeugt.
Wo ich die denn schon ausprobiert habe?
„Unter der Dusche“ war wohl nicht die Antwort, die er erwartet hat.
Prustend und kopfschüttelnd stapft Hani in Richtung Meer.
Ich stolpere hinterher und wir tauchen unter.
Eine neue Welt geht auf! Alles so bunt und so hell und so weit.

Ich sehe einen versunkenen Panzer, kleine Fische, große Fische… zumindest bis meine Taucherbrille nach ein paar Minuten so anläuft, dass Hani seufzend seine eigene gegen meine tauscht.

Zum Glück findet er das Rainbow Reef auch halb blind.
Hier schwimmen Thunfische rum und Clownfische und Steinfische und manchmal sogar König Abdullah, der auch gerne in Aqaba tauchen geht.
Natürlich nur mit Bodyguards.
(Haben die dann Wasserpistolen?)

Am nächsten Tag will ich weiter eintauchen, aber diesmal in die Geschichte Jordaniens.
Es geht nach Petra… die riesige Nabbatäer-Hauptstadt, von der man bis vor 200 Jahren zwar wusste, DASS sie existiert, aber nicht, WO.
Bis auf die Bedouinen. Die wohnten damals schon seit gut 1000 Jahren in den Ruinen von Petra.
Sie haben es nur niemandem erzählt.
Auf dem Weg nach Petra fahren wir zwei Stunden lang gefühlt immer an dem gleichen Steinhaufen, der gleichen Tankstelle, dem gleichen „Achtung, Kamel“-Schild und der gleichen Schafherde vorbei.

Jordanische Ödnis

Dabei hören wir zwei Stunden lang ununterbrochen das gleiche Lied von Khaled (ich habe wohl etwas zu begeistert erwähnt, dass es mir gefällt) und der Taxifahrer pampt mich zwei Stunden lang ununterbrochen an, dass ich ihm viel zu wenig bezahle.
Ich bin in einer Zeitschleife gefangen. Nein, in einer Steinschleife.
Und dann plötzlich wird die Landschaft weiter… die Berge röter und die Schluchten tiefer… gigantisch!
Wäre ich Bedouine, ich hätte diesen Ort auch keinem verraten.
Schon gar keinem Taxifahrer.
Immer noch leben ein paar Bedouinen-Großfamilien in den Wohnhöhlen von Petra, mitten im Weltkulturerbe.
Sie könnten in die umliegenden Dörfer ziehen, aber sie wollen es nicht.
Sie lieben ihre Höhlen dafür, dass sie im Winter warm sind, und im Sommer kühl.
Sie sind hier zuhause.
Ich dagegen schiebe mich wie alle anderen Tagesbesucher durch den Siq, die Grand-Canyon-mäßige Schlucht, an deren Ende das berühmte Treasury thront.

Der Siq… Abends und fast leer 🙂

Das Treasury zu späterer Stunde

Dabei versuche ich alle paar Meter, einen Schal, einen Armreif, einen Schokoriegel oder einen Esel-Ritt abzuwehren.
„You want Ferrari, Madam?“
„Happy Hour, only 1 Dinar“
„Where you from? Germany? Kuck mal hier, schau mal da!“
„Have a break, have a KitKat“.
Nicht undubioser wirkt das Ganze durch das Aussehen der Bedouinen-Männer.
Aber zumindest weiß ich jetzt, wo Jack Sparrow seinen Look geklaut hat:

Pirates of the Petra

In Reiseführern wird immer wieder davor gewarnt, dass viele Bedouinen den Touristinnen gerne schöne Khol-Kajal-Augen machen, um sie dann bis auf den letzten Dinar auszunehmen.
Potentielle Opfer gibt es hier einige… es wimmelt nur so von Leuten.
Russinnen, die in High Heels die steilen Steinwege entlangstolpern, Bloggerinnen, die in ihre Selfie-Sticks flöten und die Unfitteren unter den Unfitten, die auf allen vieren die Steinstufen hinaufkrabbeln und sich auf halbem Wege dann doch entscheiden, lieber einen Esel plattzureiten.
Entnervt setze ich schließlich meine Kopfhörer auf und steige zum alten Kloster hinauf.

Endlich allein vor dem Monastery
(+ der, der das Foto gemacht hat + ein Esel)

Hier sind Spätnachmittags kaum noch Leute unterwegs… und plötzlich wirkt der Zauber von Petra.
Wüste, so weit das Auge reicht. Dazu das rote Sandsteingebirge, vom Wasser in absurde Formationen und Canyons gewaschen und dazwischen immer mal wieder ein Amphitheater, eine Kirche, ein Tempel, ein Grab – direkt in den Fels gehauen.

Zurück in meiner Unterkunft erzählt mir Besitzer Atallah, dass er auch Bedouine ist.
Aufgewachsen in einer Höhle von Petra, zusammen mit 18 Geschwistern (von drei Müttern – für alle, denen sich bei dem Gedanken auch die Gebärmutter zusammenzieht).
Atallah erzählt mir vom Leben in den Höhlen… und von den Menschen.
Von Toba, die jeden Tag auf dem High Place of Sacrifice Flöte spielt.
Von Leila und ihrer Höhlen-Bäckerei.
Von Salman, der gern mal auf der Turmspitze des Klosters Handstände und Flicflacs macht.
Am nächsten Tag laufe ich nochmal durch Petra… und plötzlich haben die Händler ein Gesicht und eine Geschichte.
Ich höre Toba beim Flöte spielen zu, esse Höhlen-Brot bei Leila, lasse mir von Salman seine Stuntvideos zeigen.

Salman

Doba

Leila

Dabei lerne ich noch mehr von Atallahs Bekannten kennen, werde mit Bedouinen-Tee abgefüllt, bekomme gegen meinen Willen Schals, Kühlschrankmagneten, Eintopf und Armreifen geschenkt… verteile dafür mein Essen an die Kinder, kaufe noch mehr Schals und weil es gar so schön ist, vergesse ich die Zeit und stehe kurz vor der Dämmerung auf einem Berg und finde den Weg nicht mehr.

Ups.

Zum Glück sammelt mich ein Bedouine auf.
Er ist – wie es der Zufall so will – ein Cousin von Atallah… und
dafür zuständig, Nachts verirrte Touristen aus der Ruinenstadt zu retten.
Fröhlich spaziert er neben mir her und lässt mich auf seinem Esel Jackass eineinhalb Stunden durchs stockdunkle Petra bis ins nächste Dorf reiten.

Ein Kamel! Oder doch ein Berg?

Dort bringt mich der Cousin von Atallah zu einem anderen Cousin von Atallah, der Atallahs Bruder anruft, der mich abholt und zu Atallah bringt.
Für ohne Geld, mit ohne Anmache.
Das oberste Gebot der Bedouinen ist Gastfreundlichkeit… und die habe ich hier in Petra sehr zu spüren bekommen.
Ganz ohne die dunkle Seite der Macht.

Das gilt auch für meine nächste Station: Die Steinwüstenwildnis Wadi Rum.
Hier ist schon Lawrence von Arabien durchkamelt und Matt Damon als Der Marsianer aus seiner Rettungskapsel gekrabbelt.

Kamele (mit abgeworfenem Lawrence von Arabien)

Ich dagegen bevorzuge das gemütliche Bedouinen-Camp Salman Zwaidh… mit großen Zelten und Mohammed, der am Lagerfeuer am liebsten Deeespacito singt.
Nachts ist hier nur der Sternenhimmel, der fast von drei Chinesen mit der Kamera leerfotografiert worden wäre.
Zum Frühstück gibt es Pita, Hummus und Rührei aus „Camel Eggs“, witzelt Mohammed, und schwört, dass es mal eine Gruppe Chinesen gab, die darauf reinfielen und sich alle zum Rührei-Leerfotografieren angestellt haben.
Frisch gestärkt steige ich mit einer Gruppe Polen in einen Jeep-Anhänger.
Vier Stunden lang brettern wir durch die Marslandschaft von Wadi Rum.

Man beachte den Polen im Schatten 🙂

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weil ich neben meiner Sonnencreme auch mein Wasser im Camp vergessen habe, bietet mir einer der Polen netterweise seine Pepsi-Flasche an.
Noch netter wäre gewesen, er hätte mir VORHER gesagt, dass es sich dabei um Pepsi-Wodka (oder eher Wodka-Pepsi) handelt.
Nach einem großen Schluck und einem Hustenanfall lasse ich mich beseelt durch die Wüste kutschieren und spiele sehr gut gelaunt Steinedeuten.

Grumpy George Washington

Felsenaffe

Götz Alsmann!

Zum Glück muss ich mich danach nicht selbst zurück nach Israel fahren.
Ein nettes spanisches Pärchen nimmt mich zur Grenze mit.
Und dieses Mal lassen mich die jordanischen Grenzbeamten in Frieden.

Vielleicht, weil ich aussehe wie ein eingesandeter Hummer.

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4 Antworten

  1. Thomas Resch sagt:

    …selten einen so unterhaltsamen Reisebericht gelesen…

  2. Anna B sagt:

    Wahnsinnsbilder und toller Reisebericht! Da bekomm ich direkt Lust, auch gleich hinzufliegen

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